Von Stephanos Berger, CIDCOM.
Fotos: Sophia Lueger, Dominik Vsetecka

Das CIDCOM Team zieht Zwischenbilanz zum 2022 eingeführten Recovery Friday. In der Wiedner Hauptstraße lebt man die neue Arbeitswelt seit knapp zwei Jahren: Es klappt, wenn man sie gut überlegt im Unternehmen einrichtet.

Unsere kreatives Team im vierten Wiener Bezirk hat aus den Covid-Lockdowns seine Lehren gezogen. Bestens mit modernen digitalen Werkzeugen für hybrides Arbeiten ausgestattet, blieb dennoch immer etwas auf der Strecke, wenn wieder einmal Zuhausebleiben staatlich verordnet war. Der Spirit, den es braucht, um kreative und vor allem produktive Bestleistungen zu erbringen, kam in diesen Wochen und Monaten einfach nicht auf. Auch die Weiterführung von Heimarbeitstagen, zeitgeistig als Home Office bezeichnet, ließ die richtige Energie im Team immer wieder mal ins Stocken kommen.

Also begannen wir 2021, nach einer demokratisch gefällten Teamentscheidung heraus, bei CIDCOM mit einem attraktiven Kernzeitmodell zumindest die Arbeitszeiten flexibler zu gestalten. Im darauffolgenden Jahr, genauer mit Oktober 2022 wurde die zweite Stufe der neuen Arbeitsmodelle gezündet: Als einer der ersten Full Service Agenturen kam der Recovery Friday zum Einsatz. Wie das läuft und welche Erfahrungen das Team damit bisher gemacht hat, darüber sprechen unser Agenturleiter und Art Director Dominik Vsetecka sowie Mitgründer, Geschäftsführer und Creative Director Stephanos Berger.

Das Interview zum Recovery Friday

Dominik: Vor einigen Monaten hat Stephanos die Idee des "Recovery Friday" im Teamleiter-Meeting präsentiert. Einige Agenturen, vor allem im digitalen Bereich, wo das aufgrund der Arbeitsstruktur gut umsetzbar ist, haben ihre Erfahrungen damit auf LinkedIn geteilt und da hat er sich informiert. Wir haben das eigentlich auf Anhieb super gefunden, denn wir haben gespürt, dass wir wieder einen Impuls in diese Richtung setzen müssen.

Stephanos: Eigentlich ist mir der Recovery Friday bei der Suche nach Alternativen zum Home Office oder Remote Work untergekommen. Bewerbungsgespräche im Sommer 2022 haben es schon gezeigt: Die Bewerber:innenanzahl hat nach Covid wieder deutlich zugenommen und die Fragen nach flexiblen Arbeitsmodellen ebenso. Unser schon 2021 begonnenes Modell mit großzügigen Kernzeiten war halt immer noch auf trotzdem 40 Stunden ausgelegt und das noch aufrechte Remote Work-Angebot hat einfach nicht zu unserem sehr kooperativen Arbeitsklima gepasst. Obwohl wir mit unseren technischen Lösungen im Prinzip das ganze Team von zuhause arbeiten lassen könnten – auch schon vor Covid waren wir dafür fit genug.

Dominik: Das Home-Office hat nebem dem bequemen Vorteil nicht aus der Wohnung zu müssen aus meiner Sicht aber einen wesentlichen Nachteil: der zwischenmenschliche Effekt der auch kreative Arbeit beflügelt, kommt in manchen Bereichen zu kurz. Dazu gehört schon das Sinnieren über aktuelle Kampagnen, die man aus dem Fenster der Straßenbahn beoachtet, aber auch das gesellige After-Work nach einem Arbeitstag. Natürlich müsste man das auch nicht in Home-Office-Phasen vermissen, der Tagesablauf ist aber von gewissen Faktoren geprägt, die trotz der zunehmend digitalen Welt stets einen sozialen Aspekt benötigt, um Werbung für Menschen zu entwerfen.

Stephanos: Da hast du recht. Ich habe selber die Erfahrung gemacht, dass es mich im Grunde total genervt hat, im Heimbüro eigentlich öfters in meiner Arbeit und meinen Gedanken unterbrochen zu werden als im Büro – eine andere, nicht produktive Art des Unterbrochen werdens – die nicht Ideen und Prozesse beflügelt, sondern von den eigentlich wichtigen Themen ablenkt.

Dominik: Kenn ich auch. Du kriegst daheim wesentlich mehr Slack-Nachrichten in denen man dich erwähnt. Die Kolleg:innen rufen öfters an, anstatt wie in der Agentur im Großraumloft zu sehen, der hat jetzt grade keine Zeit, ich störe ihn halt etwas später. Man kann dir nichts im Vorübergehen auf den Tisch legen und gemeinsam ein Proof abstimmen oder schnell einer Kollegin auf den Bildschirm schauen und Tipps geben ist von zuhause aus einfach nicht möglich.

New work bietet Chancen, aber auch Diskussionsbedarf. Denn letztlich soll es den Menschen und dem Unternehmen nutzen.
Foto © CIDCOM

Stephanos: Mit dem Recovery Friday verbessern wir die Situation für alle jetzt auf eine andere Art. Jeder und jede im Team hat jeden Monat zweimal Freitags frei und dafür gibt es Remote Work nur in Ausnahmefällen, die begründbar sind. Also nicht, wenn es draußen nieselt, aber schon, wenn etwa die neue Waschmaschine geliefert wird.

Dominik: Es ist halt einfach angenehmer, statt sich am Küchentisch das Kreuz vorm Laptop zu verbiegen, wirklich zwei Tage im Monat frei zu haben. An denen man tun kann, was man möchte. 

Stephanos: Das ist nämlich der wesentliche Unterschied zu den Viertage-Modellen: alle haben mit dem Recovery Friday bis zu 26 zusätzliche Urlaubstage im Jahr. Also voll bezahlt und trotzdem nicht mit der Auflage, die freien Freitage an den vier anderen Wochentagen zeitlich einzuarbeiten. Sondern nur durch dieselbe Produktivität. Mit unseren Werkzeugen organisieren wir unsere Arbeit als Kreativagentur im Grunde wie ein Entwicklerteam, das lässt einfach die Luft raus, das spart Zeit. Weil alle ihre freien Tage genießen wollen, arbeiten wir jetzt zum Großteil einfach effizienter organisiert. 

Dominik: Wir haben es abwechselnd angelegt. Das heißt, in jedem Team ist immer die eine Hälfte freitags da, die andere hat frei. Es gibt auch klare Regeln, auf die wir uns alle gemeinsam geeinigt haben. Die Recovery Fridays sind nicht tauschbar, nicht verschiebbar und fallen durch Feiertage, Urlaube oder Krankenstände weg. Im Durchschnitt kommen da alle auf eine ähnliche Anzahl. Wer einmal weniger solcher Tage im Jahresverlauf hat, kommt dann im nächsten oder übernächsten Jahr besser weg. So eine Vereinbarung ist auch ein Appell an die Solidarität im Team. Denn die Leute helfen auch mal am Recovery Friday mit Wissen oder ein paar Handgriffen aus, wenn die Kolleg:innen, die Dienst haben, nicht weiterwissen. Das ist besser, als am Montag ein Projekt in Schutt und Asche zu sehen.

Stephanos: Ja, das Team spielt da wirklich sehr fair, da muss ich alle loben. Das Modell funktioniert natürlich nur, wenn es gut vorbereitete Übergaben und Prozesse gibt, damit die Arbeit nicht liegen bleibt. Da könnte es dann passieren, dass der freie Tag sich zurecht in Luft auflöst und auch nicht wiederholbar ist. Denn ohne Fair Play klappt das nicht. Hatten wir aber bisher noch nicht, Applaus ans Team. Und man kann ja auch nur einen halben Recovery Friday machen, wenn so etwas vorkommt.

Dominik: Wir lassen das Experiment jetzt einmal bis Mai laufen und dann bewerten wir es. Wie sich die Leute fühlen und was es dem Team und der Performance gebracht hat. Vielleicht müssen wir das Kernzeitenmodell dafür anpassen, um in den kürzeren Wochen der Kolleg:innen die Zusammenarbeit etwas zu verbessern, man wird sehen. Den Recovery Friday jedenfalls finden alle super.

Stephanos: Ich will ehrlich sein, die Kernzeiten haben uns bisher keinen meßbaren Mehrumsatz gebracht, weil das muss ja auch dabei rausschauen. Die Agentur besteht ja nur aus den Menschen, die hier arbeiten, also trennen wir nicht in „ich“ und „die Firma“, das geht in dieser Branche gar nicht. Auch beim Recovery Friday haben die deutschen Agenturen, mit denen ich mich ausgetauscht habe, behauptet, dass sie wirtschaftlich im zweistelligen Prozentbereich Zuwächse hatten. Das halte ich persönlich für eine hübsche Illusion und lasse mich gerne am Jahresende von Fakten eines besseren belehren. Aber um das geht es uns gar nicht. Das Märchen vom endlosen Wirtschaftswachstum glauben wir nämlich auch nicht und daher sind wir schon super happy, wenn mit dem Recovery Friday die Ergebnisse so bleiben wie bisher. Besser ist besser, aber es soll ja auch dem Team besser gehen und neue Mitarbeiter:innen sollen eine attraktive Stelle bei uns vorfinden.

Dominik: Ja, wir haben zum Beispiel erst heuer unsere Preise seit Anfang Covid wieder angehoben, auch wegen des neuen Kollektivvertrages, der die Gehälter doch merklich verbessert. Das muss erwirtschaftet werden, aber nicht auf Kosten der Kreativität und Gesundheit unseres Teams. Diesen Rush aus 2022, wo plötzlich alle Unternehmen einander in die Tasche gegriffen haben, den wollten wir nicht sofort mitmachen. 

Stephanos: Du kennst dich ja aus, bist ja mittlerweile im Team am längsten bei CIDCOM. Was mich sehr happy macht, denn es braucht gute Teamleiter:innen, mit denen man so etwas wie den Recovery Friday erfolgreich durchsetzen kann.

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